Meine Arbeiten können Geschichten erzählen. Bei einigen verrate ich Ihnen (gerne), wie ich sie aufgefasst und in bildnerischen Ausdruck verwandelt habe. Die Beschreibungen sind mit Fotos aus der gallery promenade verlinkt.
Mein Wandbehang TAUSEND VÖGEL (1,48 m Breite, 2,64 m Höhe) greift islamische Spiritualität aus dem Sufismus auf. Ich arbeitete ihn 2011 für die Thematisierung von Weltreligionen in der Ausstellung PARA MENTEM – JOIN IT! In der Dachgalerie von Ennikke Arendt trat das Brokatpaneel in räumliche Beziehung zu einer Abendmahls-Installation der Münchner Künstlerin.
Bei der offenen Begegnung mit dem Islam, die dieses Konzept erforderte, ließ ich Achtsamkeit walten und staunte über die religiöse Erfahrungstiefe, die ich auffand, und die kulturelle Schönheit ihrer Zeugnisse. Trotz einigen Studiums betone ich aber, dass die Aussage des Wandbehangs dieses Erleben nahebringen soll, aber heuristisch entsprungen ist und keine religiöse Autorität beansprucht.
Das menschliche Abbild ist hier traditionell gemieden. Ansonsten zeigt das Kunstwerk meine persönliche, vom eigenen Weg geleitete Interpretation. Diese entwickelte sich speziell aus der Intention und den Motiven einer Sufi-Parabel, der Versdichtung „ VOGELGESPRÄCHE“ des persischen Mystikers FARIDUDDIN ATTAR, verfasst um 1200 u. Z. Darin schildert er poetisch seinen spirituellen Werdegang:
Als sich eines Tages tausend Vögel aller bekannten und unbekannten Arten dieser Erde versammeln und beklagen, ihnen fehle ein eigener König, weiß der Wiedehopf Rat. Den König gebe es doch längst, nämlich den in größter Verborgenheit lebenden Vogel Simurgh, den persischen Phönix, der den Vögeln ebenso nahe sei wie sie ihm fern. Zu ihm wolle der Wiedehopf seine Mitvögel führen, allein die Reise sei lang und gefährlich.
Unter vielen Bedenken brechen sie auf, und ihr Flug führt sie nun durch sieben mystische Täler, von denen jedes einer Stufe auf dem Weg zu Gott, einem inneren Zustand des Gottsuchenden entspricht, wo sie gegen Durst, Hunger, Hitze, Kälte, äußere und innere Feinde bestehen müssen. In diesen Fährnissen gehen nach und nach die meisten Vögel verloren, sterben oder erliegen den Verlockungen des Weges.
In eine moscheehaft stilisierte Rahmenarchitektur eingebettet, prangt im Erzählfeld der textilen Komposition ein von mir in Färbemalerei ausgestalteter Chenille-Goldbrokat. Als Nachbildung italienischer Seidengewebe aus dem 14. Jh., sog. Trecento-Tiermotivstoffe, zeigt die Textilie aufsteigend schräg versetzt einander zugewandte Phönixe und Drachen. Dieses ostasiatische Muster verbreitete sich seit dem Mittelalter in ganz Eurasien.
Schließlich sind es gerade dreißig Vögel, die ihrer Absicht treu blieben und nun vor dem sagenhaften Simurgh stehen. Ein gewaltiger Glanz durchdringt sie, er wäscht sie von allen ihren bisherigen Handlungen rein. Und in dieser Neugeburt erkennen besagte dreißig Vögel (persisch: "si-murgh") von dem großen Simurgh gar nicht mehr getrennt zu sein, sondern sich in ihm selbst wieder zu finden.
Ich greife das aufsteigende Muster des Tierbrokats als Vogelzug auf und formuliere die Drachen farblich als scharf, als Irritationen oder Eclats, die Hindernisse und Bedrohungen eben, die den Vögeln widerfahren. Das Erzählfeld öffnet sich oben in eine lichtwolkige, himmlische Sphäre, in der auch der Simurgh erscheint. All diese Inhalte, Gesten und Farben werden umschlossen vom strengen Rechteck eines schwarzen Brokatbands.
Offensichtlich ist der Simurgh ein Symbol für Gott, die Vogelarten wiederum stehen für die verschiedenen Menschentypen, oder auch die Gedankenwelt eines einzelnen Menschen, die das Ego umgibt. Die Hindernisse und Gefahren auf dem Weg zum großen Phönix versinnbildlichen Hoffnungen, Wünsche, Leiden und Enttäuschungen eines Menschenlebens, besonders auf der Suche nach Erlösung.
In die Bahn des Vogelzugs sind Vignetten gefasst mit gestickten arabischen Schriftzügen. Wünsche, Sehnsuchtsworte, Illusionen und Halt im Leben: amel HOFFNUNG (violett), haz GLÜCK, al hub LIEBE (pink), rasul allah GESANDTER GOTTES (grün, für Mohammed) und anahar TAG (rot). Für das letzte Tal der Reise, das Tal des Vergehens, in dunkler Seide: DU HAST SIE VERNICHTET. Darüber, purpurn machtvoll: GOTT SIEGT!
Unten aber öffnet ein Schriftzug an-nisa FRAUEN die schwarze Rahmung ein wenig. Man mag sich da einen Sternenhimmel vorstellen und Wüste, Vorzeit. Die Frauen können dorthin vermitteln, zur Basis, zur Natur. Aus der wächst Bogenarchitektur in Formen voll Blumen und umfriedet die Glaubenserzählung eines Mannes, die scheinbar alle Grenzen überwindet. Da gibt ein leuchtend roter Stein im Bogenfeld ein letztes Rätsel auf ...